Ich hoffe, ihr seid alle gut reingerutscht in das Jahr der Rezession. In Bristol hatte ich zumindest gestern noch das Gefühl, dass hier bald die Belagerung ausgerufen wird. Hamsternde Menschenmassen und überfüllte Supermarktkassen everywhere. Da hat man es doch als spartanischer, fauler Koch leichter. Vielleicht ist es der Feiertagsrausch, wo das Kochen schnell zur Ersatzbefriedigung wird, da man ansonsten nicht so viel zu tun hat. Oder es ist das schwache Pfund, das mittlerweile auf fast einen Euro gesunken ist, das die Leute in den Shoppingwahn treibt.
Nach einem Kurztrip über die Feiertage in die Stadt der chillenden Hasen bin ich nun wieder zurück in Bristol, der Stadt der hartgesottenen Hasen. Das Schöne ist, wenn man länger verreist, lernt man die Dinge an seinem Land zu schätzen, die man im Ausland nicht hat. Mein erster Eindruck von Berlin daher war, dass die Stadt gigantisch groß, super sauber, komplett modernisiert und monster reich ist. Breite Straßen, gepflegte Bürgersteige und alles ist super modern. In Bristol freue ich mich schon immer, wenn der Müll überhaupt abgeholt wird. Die Straßen und Häuser gammeln alle vor sich hin und das Wort Sanierung gibt es wohl nur im Wörterbuch. Hier wird gebaut und abgerissen. Period. Als ich bei meiner Mutter in die Wohnung gekommen bin, kam ich mir vor wie der Millionärssohn, der von seiner Weltreise in sein Anwesen in Beverly Hills zurückkehrt. Klar, Schmargendorf steht jetzt sicherlich nicht für den Berliner Durchschnittsbezirk. Trotzdem denke ich, dass selbst in Bezirken wie Neukölln und Marzahn der Lebensstandard höher ist als in England allgemein. Aber das mag ich hier auch. Es ist eben nicht alles so gesetzt und abgesichert. Und es ist multikulturell. In meiner Straße z.B. wohnen afrikanische, indische, arabische, asiatische und englische Familien nebeneinander. Das wird man in Zehlendorf oder Steglitz nicht finden. In Berlin ist es eher eine Anhäufung von Enklaven, als eine wirklich multikulturelle Stadt. Viel deutlicher wird es bei den Jobs. In England sind alle Nationalitäten in allen Berufen vertreten: Es gibt indische Ärzte, afrikanische Verkäufer, arabische Müllmänner, chilenische Erfinder. Das sieht man in Berlin schon seltener. Wenn man nicht gerade Taxi fährt, eine Dönerbude hat oder für sein Leben gern putzt, kann man dort als Ausländer schnell wieder seine Sachen packen. In knapp zwei Wochen beginnt dann der zweite Block meines Studiums. Trotz der wiederkehrenden Melancholie gibt es doch viele Momente im Unterricht, die mich immer wieder zum Lachen bringen. Besonders Charlotte, die ständig Fragen stellt, nur um Mittelpunkt zu stehen. Als wir über eine Soulsängerin sprachen und Richard, unserer Vocal Kurs Lehrer, sagte: „And then she was murdered!“ Und Charlotte fragte: „Did she die?“ Richard: „Well, she was murdered?!“ Loki: „Yes, she was murdered to death.“ Aber auch unsere Dozenten haben Humor. In einer Stunde, in unser indische Lehrer Andi mit einem Rotstift auf der Tafel schrieb und viele Probleme hatten, das von weitem zu erkennen, fragte Charlotte: „Do you have a black one, Andi?“ Und Andi antwortete: „Don’t you think that’s kind of a personal question?“ Mein Liebling ist aber immer noch Jess, die immer völlig aufgedreht (meistens mit neon-blauen Leggins und weißen Stiefeln) in den Unterricht kommt und dann ganz theatralisch von ihrem Leben erzählt. Auch als wir über die Filmmusik von Star Wars diskutiert haben und sie gleich divenhaft sagte: „Oh my God, there was this guy. He made me watch this movie: Clone Wars. It was terrible. I had to sit there for almost two hours and couldn’t leave the theatre.“
Ansonsten habe ich vor, aus meiner WG auszuziehen. Das polnische Pärchen, das sich Tag und Nacht streitet ist auf Dauer doch ganz schön anstrengend. Zudem reden sie mit niemandem, okkupieren aber das halbe Haus, da sie ständig kochen und Gäste zu Besuch haben. Am krassesten ist aber der Mann, der immer ganz laut und unheimlich lacht. Angeblich ihr ehemaliger Chef, der mindestens zwanzig Jahre älter ist und so aussieht, als ob er nicht nur wegen des guten Essens nach Thailand fahren würde. Sim und ich haben die Theorie, dass er mit ihnen eigentlich einen Porno drehen will und sie sich jetzt noch in der Annährungsphase befinden. Glücklicherweise hat mir mein Landlord schon zwei andere Zimmer angeboten, so dass ich hier hoffentlich bald die Biege machen kann. Fingers crossed.