Becoming a DJ

Hätte man mich in 2015 gefragt, wo ich mich in fünf Jahren sehe, dann sicherlich nicht als Hochzeits-DJ in Brandenburg. Was über viele Jahre noch eine erschreckende Vorstellung gewesen wäre, ist mittlerweile aber zu einer recht lukrativen, zusätzlichen Einkommensquelle geworden.
Meinen Einstieg in diese Branche hatte ich 2017 als ich wieder leicht genervt aus einem Club kam, weil die Musik, die dort lief so extrem belanglos war. Kurz entschlossen habe ich noch am gleichen Abend eine E-Mail den Betreiber einer meiner damals beliebtesten Bars geschickt und angeboten, dort Indie Pop aufzulegen. Ich bekam daraufhin sofort eine Antwort mit einem möglichen Termin dort aufzulegen. Und so hatte ich meine erste Buchung im ‚Mein Haus am See‘.
Der Deal war, wie in den meisten Bars in Berlin, Sonntag bis Donnerstag immer von 22-02 Uhr für Freigetränke den DJ-Gig zu spielen und freitags und samstags für maximal €100, je nachdem welchen Slot man bekam. Nach einiger Zeit bekam ich vom Manager dort auch Angebote, bei festgebuchten Veranstaltungen wie Firmenfeiern und Weihnachtsfeiern aufzulegen, was im Vergleich schon viel besser bezahlt wurde. Bei diesen Gigs bekam ich dann zum ersten Mal ein Bild von dem, was von einem DJ eigentlich alles abverlangt wird. Da geht es weniger um fließende Übergänge zwischen den Songs als vielmehr darum, zu wissen, für welche Zielgruppe und zu welchem Anlass man spielt. Denn 80er Jahre Rock kann zum einen Queen und AC/DC bedeuten, aber auch The Smiths und Velvet Underground.
Natürlich kommen während eines solchen Abends auch häufig Zweifel auf, ob man eigentlich die richtige Musik wählt oder ob die Übergänge nicht zu monoton sind. Daher hilft es ungemein, wenn man sich für den Abend eine Wunschliste erstellt, auf der die Gäste ihre Lieblingssongs auflisten können und man eben diese im Laufe des Abends in die eigene Setlist einfließen lässt. Das funktioniert in der Regel ganz gut, da man einen groben, roten Faden für den Abend hat und dadurch zumindest einen gewissen Garant, dass die Leute auf der Tanzfläche Spaß haben.
Manchmal kommen die Gäste aber auch direkt ans DJ-Pult und fragen nach einem speziellen Song, was die bestehenden Selbstzweifel oft auch schnell wieder verschwinden lassen. Eines meiner Lieblingsgespräche in diesem Zusammenhang lief ungefähr so: ‚Kannst du bitte ‚was aus den 80er spielen?‘ ‚Ja, klar!‘ Hast du da einen besonderen Wunsch?“Nee.‘ ‚Oder eine Band, die du aus der Zeit magst?‘ ‚Nee.‘ ‚Oder einen bestimmten Song?‘ ‚Nee.‘ ‚Oder hast du zumindest irgendeine Lieblingsband?‘ ‚Nee.‘ ‚Oder hast du wenigstens einen Lieblingssong, egal aus welcher Zeit?‘ ‚Nee.‘
Dann gibt es noch die Kandidaten, die sich in ihrer unbegrenzten Phantasie am Abend dreimal das gleiche Lied wünschen oder diejenigen, die, wenn gerade ‚Dancing Queen‘ von Abba läuft, mich ernsthaft fragen, ob ich danach vielleicht nicht ‚Killing In The Name‘ von Rage Against The Machine auflegen kann. Das sind dann auf jeden Fall die Momente, in denen mir klar wird, dass meine Gage von €50/h mehr als gerechtfertigt ist.
Mittlerweile habe ich mich auf Hochzeitsfeiern spezialisiert, weil sie mit Abstand am meisten Spaß machen und auch in der Relation am besten bezahlt werden. Da diese zu 90% im Sommer stattfinden, spielt man oft bis 21 Uhr nur entspannte Hintergrundmusik und legt effektiv eigentlich nur von 22 bis 02 Uhr auf, da davor noch Ansprachen bzw. Reden kommen oder auch Spiele der Trauzeugen mit eingebunden werden. Zwischendurch wird oft noch die Hochzeitstorte angeschnitten, bevor es dann später die obligatorische Currywurst mit Brötchen gibt.
Dazu kommt, dass das Brautpaar oft eine Liste mit gewünschten Lieder mitbringt und somit den Vibe des Abends vorgibt, insbesondere wenn es nach dem Hochzeitstanz noch weitertanzt und nicht einfach heimlich verschwindet. Auf diese Weise kann man auch Songs nacheinander spielen, die nicht wirklich zusammenspassen, solange das Brautpaar oder auch deren Gäste eine Assoziation mit dem Lied haben. Das kann ein Song aus Schulzeiten sein oder auch vom letzten gemeinsamen Urlaub.
Anders sieht das wiederum bei Weihnachtsfeiern aus, bei denen in der Regel schon ab 18 oder 19 Uhr getanzt wird, wodurch sich das Zeitfenster der tanzbaren Musik schnell auf 7h oder länger verschiebt. Da ist der Druck, die Leute auf der Tanzfläche zu halten, immens. Zumal die musikalischen Vorstellungen an solchen Abenden oft sehr stark differieren und jeder Gast gleichermaßen bedient werden möchte. Ob nun die 50-jährige Chefin, die gern Pop aus den 80ern hört oder die jüngeren Angestellten, die lieber modernen Deutsch-Rap hören wollen.
Dadurch sind solche Abende ziemlich anstrengend und bleiben in der Regel auch sehr unpersönlich. Man ist somit in der Form eben nur Dienstleister.
Eine Erfahrung, die ich begleitend zu dem Job allerdings schon sehr oft machen musste, ist die Tendenz der Veranstaltungsorte die Kunden förmlich abzuziehen. Denn oft wird auch nur externes Cateringessen bestellt, was meistens über die Qualität eines Kantinenessens nicht hinsauskommt und Longdrinks angeboten, die mehr kosten als in einem angesagten Club in Berlin-Friedrichshain, obwohl man sich in einer Scheune in der brandenburgischen Pampa befindet. Die Motivation des Servicepersonals ist zudem auch häufig am Limit des Erträglichen. Die meisten sind schon von Beginn an gelangweilt und gucken während der gesamten Feier ständig auf die Uhr. Die Krönung sind aber die genervten Blicke in meine Richtung, wenn die Gäste um 3 Uhr immer noch tanzend Spaß haben. Ohne jegliches Verständnis dafür, dass für viele Gäste der Abend ein einmaliges, unvergessenes Erlebnis ist, wofür die Gastgeber auch nicht wenig Geld zahlen. Diese ungleiche Mischung aus gieriger Kalkulation, durchschnittlicher Qualität sowie unreflektierter Arbeitseinstellung hat dann auch oft dazu geführt, dass ich meinerseits die Zusammenarbeit mit vielen Locations vorzeitig beendet habe.
So auch mit dem ‚Haus am See‘, wo man mir zum Schluss einhundertfünfzig Euro dafür angeboten hat, um auf einer Weihnachtsfeier einer Anwaltskanzlei aufzulegen, obwohl bei der Firma an dem besagten Abend mehr als fünftausend Euro aufgerufen wurden.
In dem Bereich platzen also auch wieder viele Illusionen. In den coolen Locations in der Stadt bekommt man wenig bis gar kein Geld für sein
DJ-Set und bei den besser bezahlten Gigs werden die Kunden nicht selten extrem über den Löffel balbiert.
Ich versuche dennoch weiterhin, dabei meine Freude nicht zu verlieren. Der Plan, in Zukunft vorwiegend bei Hochtzeiten aufzulegen, ist da, glaube ich, kein schlechter Ansatz