Der Sommer in diesem Jahr lässt sich auch ‚mal wieder Zeit. Mittlerweile haben wir Mitte Juli und das Wetter ist eher von ständigen Regenschauern bestimmt als von praller Sonne. Den Kanutrip mit meinen Promotionkollegen, den wir schon vor Monaten geplant hatten, habe ich gerade ein zweites Mal verschoben. Ich habe das Gefühl, dass die Wechselhaftigkeit des Wetters die Unberechenbarkeit der Zeit widerspiegelt, in der wir leben. Nichts ist mehr wirklich sicher und Pläne funktionieren vielleicht für ein paar Jahre im voraus, aber auch nicht länger. Gerade wenn man eine Familie hat und in einer Zeit lebt, in denen eh alles im teurer wird und der Verdienst analog dazu stagniert, ist es alles andere als einfach, eine gewisse Absicherung zu finden.
Es regnet also weiterhin jeden Tag und der Sommer plätschert so langsam vor sich hin. Was für vielen ein Grauen ist, ist für mich das perfekte Wetter: Nicht zu heiß, aber auch nicht so kalt, dass man eine Jacke tragen muss. Zumal ich die Sommermonate schon immer als anstrengend empfunden habe. Besonders wenn alle Leute auf der Straße sind oder draußen in Cafés sitzen und ihr Leben in vollen Zügen genießen. Ich merke dann immer mehr meine depressive Natur, da meine Neurosen, nicht unbedingt weichen, nur weil die Sonne scheint und mir wieder bewusst wird, dass ich eigentlich nicht wirklich am Leben teilhabe. Im Winter habe ich ähnliche Gefühle, nur dass in dieser Jahreszeit die meisten Menschen aufgrund der Kälte oft zu Hause bleiben und ich dadurch nicht so sehr mit deren Lebensfreude in Berührung komme. Nichtsdestotrotz gebe ich nicht auf und versuche dem Leben immer wieder auch schöne Seiten abzugewinnen wie z.B. am vergangenen Sonntag, an dem ich mit einem Freund und seiner jungen Arbeitskollegin am Teufelssee baden war. Das Wasser war schön kühl und der See, dafür, dass es Wochenende war und wir gerade Sommerferien haben, auch ziemlich leer. Ich war überrascht wie grün und abwechslungsreich Berlin ist. Denn in welcher europäischen Großstadt ist man von der City in zwanzig Minuten an einem Badesee. Auf der anderen Seite wurde ich auch gleich wieder mit der geballten Hässlichkeit des Lebens konfrontiert. Was ich nämlich nicht wusste ist, dass der Teufelssee auch gleichzeitig ein beliebter Treffpunkt für Nudisten ist. Zuerst war ich mir nicht so sicher, ob der eigentliche Badestrand nicht doch noch ein paar Meter weiter war, als ich mir meinen Weg durch die ganzen Exhibitionisten bahnte, die alle wieder stolz und breitbeinig ihre hängenden Gemächte und Brüste präsentierten. Es war auf jeden Fall mental ein ziemliche Ernüchterung, nachdem ich gerade noch zu Hause gestylte Internetpornos gesehen hatte, jetzt an einer alten, komplett nackten Oma vorbeizulaufen, die anscheinend ihr Schamgefühl abgegeben hatte, als sie die achtzig überschritten hatte. Ob nun bleiche Frauen mit gepiercten, schlecht sitzenden Sikonbrüsten oder Männer mit übergroßen, langweiligen Tattoos, die mit ihrer Unästhetik die Liegewiesen belagerten, mir wurde wieder bewusst, dass die Deutschen kein stilvolles und vor allem kein schönes Volk sind. Alles wirkt immer sehr gewollt und aufgezwungen. Ähnlich wie der schlumpfige Look der Punks bei mir in Kreuzberg.