Jetzt wo ich mich inzwischen in den letzten Zügen zu meiner Albumproduktion befinde, tut sich vor mir nun ein immer größer werdendes, schwarzes Loch auf. Ein sehr ernüchterndes Gefühl, da mir immer mehr klar wird, dass ich über Jahre ein völlig überzogenes Selbstbild von mir hatte. Rückblickend hatte ich diese Erkenntnis eigentlich schon vor einigen Jahren, nur dass ich zu der Zeit noch glaubte, dass nicht mein Weg der falsche war, sondern nur der Ansatz, diesen zu gehen. Mein Studium in Bristol war zwar eine wichtige und schöne Erfahrung, weil ich dort zum ersten Mal gezwungen war, mich mit anderen Musikschaffenden zu vergleichen. Allerdings muss ich sagen, dass, obwohl uns dort immer ein sehr bodenständiges Bild vom Musikgeschäft vermittelt wurde, wir aber auch gleichzeitig mit der Illusion vollgepumpt wurden, dass alles möglich ist, wenn man nur genügend Zeit und Arbeit investiert. Eine Wahrheit, die sich bei mir in den vergangenen Jahren immer mehr relativiert hat.
Immer mehr zu sein als man eigentlich ist, ist wohl ein großer Teil unserer heutigen Gesellschaft und ein Zeichen der Zeit, in der wir gerade leben. Wenn man wie ich noch gepaart mit einem schwachen Selbstwertgefühl eh ein sehr ich-zentriertes Leben führt, in dem es kaum Möglichkeiten zur Selbstspiegelung gibt, ist die Gefahr natürlich sehr groß, in die Falle der ständigen Selbstüberschätzung zu fallen. Mit diesem Bedürfnis stehe ich sicherlich nicht allein, da es das bei den Menschen schon immer gab. Nur dass man in den letzten Jahrhunderten eher damit zu tun hatte, die Aufgaben des täglichen Lebens zu meistern und nicht in einem der vielen sinnlosen Kriege niedergemetzelt zu werden oder einfach nicht an einer tödlichen Krankheit oder bloßer körperlicher Erschöpfung zu sterben. Diese Zeiten sind, zumindest im westlichen Teil der Welt, schon lange vorbei und so hat sich der Mensch inzwischen eine Welt geschaffen, in der er sich ausgiebig mit seinen Eitelkeiten beschäftigen kann. Soziale Netzwerke wie Facebook und MySpace sind der beste Beweis dafür. Ich muss jedes Mal innerlich schmunzeln, wenn junge Mädchen Anfang zwanzig in die Fotoabteilung kommen, um sich eine Kamera für ihr angehendes Modedesignstudium zu kaufen. Was vor zehn Jahren die Schauspielschulen und Musikakademien waren, sind heute die Modedesignstudiengänge und Tanzschulen. Sicherlich auch eine Folge der gigantischen Castingshowwelle, die vor zehn Jahren mit dem Deutschland-sucht-den Superstar Konzept losgetreten wurde. Ein Phänomen, welches übrigens weltweit vorherrscht. Shows, in denen jedem noch so untalentierten Teenager suggeriert wird, dass er ein erfolgreicher Künstler sein kann, wenn man es nur wirklich will. Ich bin auf dieser Welle nun auch schon seit über zehn Jahren mitgeschwommen und merke mit dem Abschluss meines Musikprojekts so langsam, dass ich eigentlich kein Musiker bin, sondern jemand, der zehn Songs geschrieben hat und diese jetzt professionell aufgenommen hat. Man kann es auch als ein sehr teures Hobby beschreiben, mit dem ich mich die letzten Jahre bei Laune gehalten habe, denn immerhin liegen die Kosten meiner Platte, wenn man alle Demoaufnahmen, Ausgaben für Instrumente und Unterricht hinzurechnet, im höheren fünfstelligen Bereich. Andere kaufen sich dafür ein Auto oder eine eigene Wohnung.
Trotz Egokick möchte ich mit meinen Songs natürlich auch Geld verdienen und werde daher in den kommenden Monaten alles daran setzen, diese so gut wie möglich zu vermarkten. Vor allem natürlich durch Musikvideos, die in der heutigen Zeit sicherlich den größten Verbreitungsgrad haben. So bleibt es weiter spannend, aber mein Bewusstsein, in sechs Monaten vielleicht weiterhin hauptberuflich als Promoter tätig zu sein und nicht von Groupies umringt auf Welttournee zu gehen und nur noch von meinen Tantiemen und Plattenverkäufen leben zu können, wird parallel dazu immer stärker. Diese Leere und Ungewissheit der Zukunft macht mir gerade doch ganz schön zu schaffen, da ich mir zum jetzigen Zeitpunkt noch keine wirkliche berufliche Alternative vorstellen kann, aber auch nicht die nächsten Jahre weiterhin als Verkäufer im Media-Saturn Moloch verbringen will.