Shitty Jobs

Es gibt Erfahrungen, die muss man nicht machen. Eine davon hatte ich gestern, als ich meinen ersten Springereinsatz für die Chesterfield Promotion hatte und zwar in einer Total Tankstelle in Berlin-Rummelsburg. Geschlagene acht Stunden stand ich dort im Eingangsbereich und fragte jeden Kunden, der ‚reinkam, ob er Raucher ist, um ihn dann für ein tolles Greifarmspiel zu begeistern, bei dem man mit Geschick eine Streichholzschachtel herausangeln konnte. Zur Belohnung gab es für jeden Mitspieler ein schickes Feuerzeug im Chesterfield Design und eins von fünf frei wählbaren Motiven auf einer kleinen Metallplatte, die man unten an dem Feuerzeug befestigen konnte. Soweit so gut. Nur leider waren von zehn Kunden, die die Tankstelle betraten mindestens sieben Nichtraucher. Der Rest war meistens in Eile und hatte verständlicherweise nicht wirklich Lust, sich an einem Montagmorgen zutexten, geschweige denn eine neue Zigarettenmarke aufquatschen zu lassen. Dementsprechend zäh verging dann auch die Zeit. Unabhängig davon, dass der Job grottenlangweilig war, kam auch über lange Zeit einfach niemand in die Tankstelle. Selbst die Festangestellten, die ich um ihre Arbeit auch nicht gerade beneidete, warfen mir regelmäßig mitleidige Blicke zu oder motivierten mich mit Sätzen wie: ‚Bis achtzehn Uhr musst die hier stehen? Das würd‘ ich nicht durchhalten!‘ Ich war mir auch nicht so sicher, wie die festen Promotoren, diese Aktion aushalten, die insgesamt sechzehn Tage allein in Tankstellen und die Tabakwarenläden stehen, ohne völlig bekifft zu sein oder zumindest den Gedanken einer Lobotomie im Hinterkopf zu haben. Ich war der inneren Verzweiflung also schon lange nicht mehr so nah wie an diesem Tag und damit hat es die Werbeaktion jetzt in die Top 5 meiner schlimmsten Promotionjobs geschafft. Immernoch angeführt von meinem Job, bei dem ich AOL CDs mit Gratisstunden und versteckten Knebelverträgen verteilen musste und praktisch von fast jedem vorbeilaufenden Passanten beschimpft wurde, weil viele eben schon in die Laufzeitfalle getappt waren und erst im nachhinein festgestellt hatten, dass die eintausend Freistunden im ersten Monat auch wortwörtlich umsonst waren. Einen anderen Ätzjob hatte ich, als ich in Kaisers Supermärkten Bonaqua verkaufen musste. Bonaqua, das Tafelwasser des Coca Cola Unternehmens, dessen Einführung in Großbritannien scheiterte, da es anstatt aus einer Quelle einfach nur aus dem Wasserhahn kam. Auch die deutsche Variante besteht zu fast hundert Prozent aus normalem Leitungswasser und ist absurderweise sogar teurer ist als das qualitativ viel wertvollere Mineralwasser. Ich stand daher nicht wirklich hinter der Notwendigkeit meines Produkts, dafür aber bei schlechter Luft und grellem Licht in der Nähe der Tiefkuhlabteilung und habe mir nicht nur die Beine in den Bauch gestanden, sondern auch noch den Arsch abgefroren. Zum Glück war es eine Teamaktion, so dass ich in regelmäßigen Abständen in die Sonne flüchten konnte, um wieder aufzutauen. Wobei die ständigen Pausen nach einer Weile auch langweilig wurden, besonders wenn man in einem abgelegenen Supermarkt in einer Marzahner Plattenbaueinöde seinen Einsatz hat. Auch noch ganz oben auf meiner Liste der ‚No Go Jobs‘ rangiert die Alpina Weiss Promotionaktion, bei der ich im letzten Sommer bei vierzig Grad Hitze in der prallen Sonne auf irgendwelchen Weddinger Hinterhöfen oder Zehlendorfer Großbaumärkten Kunden animieren musste, auf eine Torwand zu schießen. Abgesehen von den unzähligen Sonnenbränden, die ich mir dabei geholt habe, sicherlich auch aus eigener Blödheit, da ich mich auch einfach vernünftig hätte eincremen können, war die Arbeit extrem stupide. Diese ständige intellektuelle Unterforderung ist auch das größte Kreuz, das ich bei all meinen Jobs zu tragen haben. Im Endeffekt die Kehrseite meiner selbstgewählten Freiheit und meiner Angst davor, mich mit anderen messen zu müssen.
Ein andere prägende Erfahrung war eine Sommerpromotion für ‚Freddocino‘, ein auf Cappucino basierendes Erfrischungsgetränk von Tchibo, bei der ich in einem Team durch Tchibofilialen in ganz Deutschland getourt bin. Die Vorbereitung meiner damaligen Agentur war an Faulheit nicht zu überbieten. Nach fast jedem Einsatz mussten wir manchmal stundenlang in die nächste Stadt fahren und uns dazu dort noch eine bezahlbare Unterkunft suchen. Diese Zeit des Suchens bekamen wir natürlich nicht vergütet. Während meine Teamkollegen dann tagsüber ein klassisches Adressen generierendes Preisausschreiben bewarben, war es meine Aufgabe, auf einer klassischen Gitarre italienische Folkloremusik zu spielen. Diese gehört nicht wirklich zu meinem Repertoire, so dass ich stattdessen anfangs nur depressive Songs von The Cure spielte. Daraufhin beschwerten sich regelmäßig Kunden, da sie es unpassend fanden, an einem schönen, warmen Sommertag schwere, lamentierende Songs in Moll zu hören. Wissend von meinem zweimonatigen Aufenthalt in Rom, dass die Italiener absolute Popsongsfanatiker sind und es daher von allen bekannten Lieder italienische Übersetzungen gibt, fing ich an, italienische Versionen von U2 und Red Hot Chili Peppers Songs zu spielen. Songs wie ‚Desire‘ und ‚Californication‘ wurden daraufhin zu ‚Desiderio‘ und ‚Californicazione‘. Ab und zu kamen Italiener vorbei und schmunzelten. Das waren allerdings noch die angenehmen Momente. Mein Teamleiter, der sich gerade in einer Lebenskrise befand, war die meiste Zeit über angespannt, wodurch es oft zu Streitigkeiten kam und die eh schon nervige Arbeit noch unerträglicher wurde. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich jeden Abend in der Dusche meines Hotelzimmer in meinem Kopf die noch zu absolvierenden Einsatztage abhakte und förmlich erlöst war, als die Aktion endlich vorbei war.