Der Wonnemonat ist da und das sonnige Wetter hält weiter an. Mittlerweile habe ich mich auch schon ganz gut in meinem neuen Job eingearbeit. Das Arbeitsklima in der Fotoabteilung ist wirklich gut und mit den anderen Promotoren, die alle in meinem Alter sind, macht die Arbeit wirklich Spaß. Es ist ein wenig wie mit Freunden zu chillen und dafür Geld zu bekommen. In der Pause gehe ich meistens zu einem der Imbisse im Mittekiez, wobei ich dann immer gezwungen bin, über den großen und trotz aller Baumaßnahmen immer noch sehr hässlichen Alexanderplatz zu gehen. Entlang der biederen, lieblos aufgebauten Fressbuden und durch Massen von Menschen, die ihr langersehntes Wochenende damit verbringen, an einem der Stände Bier zu trinken und Bratwurst zu essen, während aus großen Boxen laute Schlagermusik tönt. Der anscheinend deutsche Inbegriff von Glückseligkeit, mit dem ich noch nie viel anfangen konnte und der mich eher wieder in Richtung Ausland treibt, als dass er mich mit meinen Landsleuten verbindet.
Es ist schon erstaunlich, wieviele Menschen der Alex immer noch anzieht. Er wird täglich von über hunderttausend Menschen frequentiert. Dadurch ist er natürlich auch ein beliebter Ort für Demonstrationen. So auch gestern, als ich mit Christian, einem Freund und Promotionkollege die warmen Sonnenstrahlen auf einer der Betonstufen vor dem Forum Hotel genoss. Sprechchöre von Arabern, die sich dort mit ihren syrischen Landsleuten soldarisierten und für Demokratie in ihrem Heimatland demonstrierten. Die anfangs noch leisen Sprechchöre wurden immer lauter und man merkte, dass es den vorwiegend männlichen Rednern sehr gefiel, ihre Stimme im überlauten Megaphon zu hören. Nur verstand eigentlich niemand die lauten, fremdsprachlichen Rufe und ich sah auch nicht ganz den Sinn der Aktion ein. Es wäre etwa so, als ob ich mich in Damaskus auf einen Stadtplatz stellen würde, um dort laut auf deutsch politische Forderungen an mein Heimatland zu stellen. Die Veranstaltung passte irgendwie nicht ganz in die ansonsten friedliche, sommerhafte Atmosphäre. Diese war allerdings nicht so nervend wie der prollige Fussballverein, der kurz danach mit Gesängen wie ‚Deutschland, Deutschland‘ oder ‚Heil Hitler‘ versuchte, auf sich aufmerksam zu machen. Christian meinte daraufhin, dass ihn diese Situation an ein Zitat seines Englischlehres erinnerte: ‚Everybody wants to be somebody‘. Wenn man das eben nicht aus eigener Kraft schafft, gibt es immer die Möglichkeit, sich einer Gruppierung anzuschließen, auch wenn es heißt, sich dafür den Kopf zu rasieren und sich riesige, hässliche Tätowierungen auf Arme und Beine machen zu lassen. Zwischendurch wechselte der Verein seine Gesänge von ‚Deutschland, Deutschland‘ zu ‚Türkei, Türkei‘ und als sie dann noch zum Schluss mit einer Rolleikamera ein Foto von sich vor den Demonstranten machten, war unser Bild komplett.
Parallel zu meinem Promotionjob bin ich immer noch auf der Suche nach einer beruflichen Alternative. Meine geplanten Songwritingseminare beleben da auch nicht gerade meine Hoffnung. Nach gut einem Jahr hatte ich bisher erst zwei Workshops. Rückblickend komme ich mir ein wenig vor, wie der Einäugige, der den Blinden das Laufen beibringen will und denke dann immer gern an das Woody Allen Zitat: ‚Those who can’t do teach and those who can’t teach teach gym.‘