The Dome

Auch die Hasen werden älter und sind natürlich auch bemüht, so langsam ihre Möhren ins Trockene zu bringen. So auch Bunny Maiko, einer aus der knuffigen Hasenbande, der in diesem Jahr alle vier Musiksendungen ‚The Dome‘ für RTL 2 produziert. Die Fernsehshow ist im Endeffekt eine Dauerwerbesendung für große Plattenfirmen, die dort ihre neuen Künstler vorstellen und anstehende Albumveröffentlichungen ankündigen. Ich war dazu mit einem Freund am Vormittag zur Generalprobe als Lichtdouble gebucht und dann auch abends bei der eigentlichen Show im Velodrom. Da saßen wir zwei alten Säcke nun zwischen lauter aufgeregten neun- bis sechzehnjährigen, die endlich einmal ihre Idole live in Vollplayback erleben konnten. Viele weibliche Fans verfielen nicht nur in die übliche Hysterie, sondern waren teilweise auch monster aufgebrezelt. Junge Mädchen in High Heels, engem Minirock, dickem Make-Up und toupiertem Haar war schon krass anzusehen. Dazu noch der Anblick von Müttern in engen Lederhosen und hochgestecktem Busen in ‚Guns ‘N Roses‘ T-Shirts, die sich sicherlich im Zugzwang fühlten, als sie ihre Töchter stundenlang vor dem Spiegel posieren sahen. Wir wussten gar nicht, wo wir hingucken sollten, ohne uns strafbar zu machen. Der Aufhänger für die Haupthysterie an dem Abend war Justin Bieber. Der neue, kanadische Exportschlager aus Amerika. Jetzt wo Aaron Carter als Teilhaber in die Gastronomie gegangen ist und Pizza in Fort Lauderdale verkauft, schreit der deutsche Markt natürlich nach einem neuen jungen Superstar. Die Scharen von kreischenden Mädchen waren auf jeden Fall begeistert, als der Schlumpf die Bühne rockte, auch wenn einige in Tränen ausbrachen, wobei ich mir nicht sicher war, ob es an den ‘1 Grad zur Bühne’ gelegenen Plätzen lag, in denen sie saßen, oder an der Vorstellung, dass sie den knuffigen Justin nie knuddeln werden. Er schien auch Spaß zu haben. “It’s crazy but I’m having fun!” wie er selber später im Interview sagte. Dennoch ist es fraglich, ob es einem Kind gut tut, in so jungen Jahren in die Geschäftswelt gepresst zu werden, nur damit die Eltern die Karriere ausleben können, die sie nie hatten. Die meisten solcher Teen Stars enden bekanntlich oft im Daueraufenthalt im Rehab. Lindsey Lohan und Britney Spears sind die besten Beispiele für solche fremdbestimmten Existenzen, die nicht selten zur schleichenden Selbstzerstörung führen und in letzter Konsequenz auch zum Selbstmord. Was das Leben von Michael Jackson perfekt zeigt. Daher ist es umso lächerlicher, dass jetzt sein Hausarzt angeprangert wird, da sein Vater ihm schon vor vierzig Jahren den Todestoß verpasst hat, als er ihn in die Jackson 5 prügelte.
Der gesamte Abend war gefüllt mit Stars und solchen, die es werden wollen. Gerade die etablierten Künstler wirkten allerdings teilweise schon etwas gesättigt und gelangweilt. Ob nun Fettes Brot, die eine neue Version von ihrem 1996er Hit ‚Jein‘ gespielt haben oder Xavier Naidoo, der wieder selbstverliebt für eine bessere Welt warb und bei dem sich die Inhalte in seinen beiden Liedern mit den Refrains ‘Gib nicht auf’ und ‘Halte durch’ nicht wirklich abwechselten. Da hingegen waren wiederum Künstler wie der belgische Singer/Songwriter ‚Milow‘ (der als einziger komplett live spielte) und die junge Punkband Killerpilze viel lebendiger und origineller als das Gros der anderen Acts an dem Abend. Ein Grund dafür war sicherlich auch die Tatsache, dass die meisten Bands Vollplayback spielten, was bei Hip Hop und Pop nicht wirklich auffällt, aber bei Gitarrenrock doch schon lustig aussieht und dabei natürlich jegliche Stimmung flöten geht. Ich bekomme immer mehr das Gefühl, dass es nur wenigen Künstlern bestimmt ist, über Jahre hinweg bewegende Musik zu machen. Die meisten haben einen bestimmten Ouput, der dann oft schon nach zwei Alben nur noch wiederholt wird. So ist doch jeder in seinem kreativen Schaffen begrenzt, egal wie erfolgreich er damit ist. Ob nun Eminem, der immer von der verkorksten Beziehung zu seiner Ex-Freundin singt oder Linkin‘ Park, die in fast jedem ihrer Songs ihre Selbstfindungsdämonen verarbeiten. Natürlich hat auch jeder Musiker sein Image zu pflegen, auch wenn das oft schon sehr durchschaubar und alles andere als überraschend ist. Das Punk Rock Projekt vom Münchner Produzenten David Sobol ‚Betty Blitzkrieg‘, der am Ende seiner Performance natürlich seine Gitarre zertrümmern musste, war nicht wirklich spannend. Auch Sido, der harte Rapper aus dem MV (Märkischen Viertel) oder jetzt eher OV, wo herausgekomen ist, dass er nicht aus dem Berliner Ghetto Bezirk in Reinickendorf kommt, sondern stattdessen ein behütetes Zonenkind ist, konnte es sich auch nicht nehmen lassen, zu erzählen, dass er sich, als er jung war, zu Videos von Blümchen immer einen heruntergeholt hat. Trotz der peinlichen Auftritte von C-Prominenz Udo Walz, der anscheinend so einen starken Geltungsdrang hat, dass er selbst mit sechsundsechzig Jahren immernoch auf Kinderveranstaltungen gehen muss, um sich feiern zu lassen und einem wie immer eitlen Till Schweiger hat die Show wirklich Spaß gemacht und mir zudem wieder Motivation gegeben, weiterhin Musik zu machen. Denn nichts ersetzt das Gefühl, live vor und mit fünftausend Leuten zu rocken.