Do or Die

Ein Jahr ist es mittlerweile her, dass ich in mein überschaubares Einzimmerapartment am Lietzensee gezogen bin. Es war bis jetzt keine einfache Zeit und ich spüre, dass mich in meiner jetzigen Lebensphase und in den kommenden Monaten als Person definieren werde. Trotz aller Anstrengung und täglicher Überwindung ist sie sehr erfüllend, da ich nun seit vielen Jahren mit einem einem Gefühl der Orientierungslosigkeit und der Nichtdazugehörigkeit durchs Leben gehe und anscheinend so langsam meinen Platz in dieser Welt finde. Die Zeit des Kontemplierens und Wartens scheint also vorbei zu sein. Neben dem Fertigstellen meines Songwriting Handbuchs steht weiterhin das Vermarkten meines Albums auf dem Plan. In Bezug dessen platzen allerdings immer noch viele meiner Illusionen. Denn mir wird immer mehr bewusst, dass dort draußen niemand auf meine Musik gewartet hat, geschweige denn, dass mich jemand an die Hand nimmt und mit mir meinen Weg geht. Es bleibt also weiterhin ein immer neues Delegieren und Kurssetzen und bei allem Stress natürlich auch spannend und erlebnisreich. Denn immerhin habe ich in den letzten Jahren viele neue, treue Wegbegleiter gefunden, die mich dabei unterstützen, mein Musikprojekt weiterzubringen. Der nächste Plan ist es, mir eine Fanbasis zu schaffen, indem ich Online Magazine und Musikblogs anschreibe, mit der Bitte über mich zu berichten. Parallel wird es auf meiner Internetseite die Möglichkeit geben, für das Senden seiner E-Mailadresse mein Album kostenlos herunterzuladen. Dazu plane ich auch bald live zu spielen. Ich verlasse nun also immer mehr meine Traumwelt und öffne mich dem ebenso harten als auch erfüllenden Alltag eines Musikers.
Ein großer und wichtiger Schritt war sicherlich von meinem überheblichen Podest herunterzukommen und mich der Welt zu öffnen. Zu lange bin ich mich mit anderen vergleichend und mit einem extremen Konkurrenzdenken durchs Leben gegangen. Dieses Denken resultiert sicherlich aus meinem inneren Zwiespalt einerseits sehr hohe Erwartungen an mich und das Leben zu haben und andererseits aber ständig mit meinen eigenen Ängsten und Unzulänglichkeiten konfrontiert zu sein. Da ist das Muster das Leben anderer schlecht zu machen und abzuverurteilen sehr bequem, aber letzten Endes eine Sackgasse, weil man sich selbst nicht weiterentwickelt und immer mehr sozial isoliert. Auch das Verurteilen meiner engen Freunde, die einen anderen Weg als ich gewählt haben, gehört zu meinem Muster dazu. Ob sie nun in meinen Augen viel zu früh einer Familie gegründet haben oder in einer reglementierten Festanstellung ihr Leben leben. Das alles ist ihre Entscheidung und hat nichts mit mir zu tun. Wichtiger ist es, dass ich mir weiterhin Ziele setzen und diese so gut wie möglich umsetze. Diese werden nie perfekt sein, weil es immer jemanden geben wird, der erfolgreicher ist als ich. Messen kann man sich im Endeffekt nur an sich selbst und an dem was man sich vorgenommen und schon erreicht hat. Nur so keine eine wirkliche innere Zufriedenheit und Gelassenheit kommen. Diese Erkenntnis hat lange gedauert, aber immerhin ist sie jetzt da und ich merke jetzt schon wie sich immer mehr Türen öffnen. Gerade gestern Abend war wieder einer solcher Momente und zwar war ich von meinem Hauswirt zum Hoffest eingeladen worden, bei dem er seinen Geburtstag nachfeiern wollte. Vor einem Jahr hätte ich diese Einladung wahrscheinlich noch ausgeschlagen. Denn mit der Aussicht pepeinigtes Tierfleisch grillend und dünnes Bier trinkend mit fremden Leuten meinen Samstagabend zu verbringen, hätte ich es lieber vorgezogen, den ganzen Abend allein in meiner Wohnung zu sitzen. Stattdessen war ich aber dort und kam u.a. mit einem jungem Studentenpaar ins Gespräch, das sich im Laufe des Abends nach meiner Musik erkundigte und mir daraufhin gleich davon erzählte, dass Freunde von ihnen Musikblogs schreiben.