Friends Become Strangers

So schnell wie dieses Jahr ist, glaube ich, noch kein Jahr vergangen. Ein Jahr, das eigentlich nur gefüllt war mit drögen Jobs, unzähligen Schulungen für noch mehr langweilige Jobs und einem recht unspektakulären Sommer. Wenn ich mir überlege, dass in fünf Wochen schon wieder Weihnachten ist, wird mir ganz anders zumute. Aber das ist wohl ein Teil des Älterwerdens, der Alltag holt einen immer mehr ein und man versucht aufgrunddessen in den kleinen Dingen des Lebens Freude und Erfüllung zu finden.
Auf der anderen Seite habe ich in diesem Jahr wenigstens mein Album fertig aufgenommen und sogar mein erstes Musikvideo gedreht. Als es dann Ende September noch ‚mal ins Studio ging, um die letzten Songs zu mischen, wurde ich natürlich sofort wieder mit meinem Perfektionswahnsinn konfrontiert. Zum Glück vergisst der Mensch aber schnell, sonst würde ich wohl jetzt immer noch schlaflose Nächte haben, nur weil ein Teil eines Songs editiert oder kopiert und nicht am Stück eingespielt wurde oder weil wir anstelle eines Originalpercussionsinstruments ein Sample verwendet haben. Obwohl es der Ansatz unserer Produktion war, alle Songs so lebendig und dynamisch wie möglich einzuspielen, musste ich wieder lernen, dass im Studio dann letzten Endes doch viel getrickst wird und zum Schluss auch nur das Ergebnis zählt. Wie man dort hinkommt ist dabei erst ‚mal zweitrangig. Das liegt zum einen sicherlich an den technischen Möglichkeiten im digitalen Zeitalter, aber auch an den hohen Ansprüchen der Hörgewohnheiten der Menschen heutzutage. In unserem Fall aber sicherlich auch an meiner weniger professionellen Musikalität. Ich fühlte mich auf jeden Fall wieder in guten Händen, mit Andi, dem leicht hektischen Toningineur, zusammenzuarbeiten, der, wenn ich ihn fragte, ob ich ihm etwas von meinem täglichen Gang zum Spätkauf im Kiez mitbringen soll, nur antwortete: ‚Ja, hast du vielleicht Heroin?‘
Der Abschluss meines Albums neigt sich also dem Ende zu und ich spüre wie sich die schwere Last dieses zähen und jahrenlangen Unterfangens so langsam von meinen Schultern löst. Ein schönes Gefühl, weil ich merke, dass ich mit dem Abschließen dieses Projekts nun bald auch wieder offen bin für andere kreative Unternehmungen.
Abgesehen von der zähen Monotonie des täglichen Lebens, welche in meinem Bewusstsein immer mehr Raum einnimmt, habe ich auch wieder eine wichtige Lektion gelernt, die mich nun endgültig aus meiner geliebten Comfort Zone geworfen hat. Seit ich denken kann, hatte ich eigentlich immer einen besten Freund in meinem Leben. Diese wechselten zwar über die Jahre, sei es durch Schulwechsel, aber auch durch unterschiedliche Werdegänge und sich trennende Lebenswege. Dennoch war es mir immer wichtig, diesen besten Freund, wenn auch unterbewusst, auf ein Podest und über alle anderen Freunde zu stellen. Quasi als wichtigsten Bezugspunkt in meinem Leben. Mit dieser Einstellung stehe ich sicherlich nicht allein da, da jeder Mensch in gewisser Weise eine vertraute Basis sucht, um sich am Ende des stressigen Alltags auszutauschen und neue Kraft zu schöpfen. Die meisten leben das in einer Beziehung, bei mir als Einzelgänger auf der ständigen Selbstsuche waren es bis jetzt hingegen immer meine engen Freundschaften. Nachdem ich nun vor einigen Monaten einen Bruch mit meinem derzeit besten Freund hatte, wurde mir nun endgültig klar, dass, genauso wenig wie es den perfekten Song, es auch nicht den perfekten Freund gibt. Ich kann ihm da auch nur begrenzt einen Vorwurf machen, da ich über lange Zeit viele Erwartungen in ihn hineinprojeziert habe und ich dadurch auf kurz oder lang auch nur enttäuscht werden konnte. Ähnlich verzerrt war über eine lange Zeit auch mein Frauenbild. Die Traumfrau, die im Endeffekt die Quintessenz aller meiner besten Freunde verkörpern muss und dazu auch noch sexy sein soll. Ein Maßstab, den kein Mensch jemals erfüllen kann. Frauen ebenso wenig wie Männer.
So ernüchternd die Erfahrung auch war, desto bereichernd war sie zugleich, da ich jetzt jedem mit dem gleichen Interesse und der gleichen Offenheit entgegenkomme wie über lange Zeit nur meinen engsten Freunden und dadurch das Leben gleich viel bewusster wahrnehme. Trotzdem bleibt die Lehre, die ich daraus gezogen habe, nur schwer zu verdauen. Oder um es mit einem Zitat aus meiner derzeitigen Lieblingsserie ‚Person of Interest‘ abzuschließen: ‚In the end we are all alone and no one is coming to save you.‘