Vor zwei Wochen hatte ich nun meinen ersten Einsatz für Alpina Weiß und zwar in Wedding. Als ich dort am Samstagmorgen ankam, um meine Torwand aufzubauen, lachten mich schon die blondierten Haare und der Silikonbusen von Daniela Katzenberger von allen Seiten an, die gerade eine Werbekampagne für den Möbeldiscounter Poco Domäne macht. Streng nach dem Motto: Billig für billig. Da für den Tag mehr als dreißig Grad angesagt worden waren und mich noch gut an meine Sonnenbrände von der letzten Aktion von vor zwei Jahren erinnern konnte, hatte ich mir in weiser Voraussicht Sonnenmilch mit dem Lichtschutzfaktor 50+ gekauft und u.a. auch sehr satt in meinem Gesicht verteilt. So war ich auf jeden Fall gut vor der Sonne geschützt, musste mir allerdings daraufhin den ganzen Tag über Sprüche anhören wie: ‚Ach, kann man die Farbe auch im Gesicht auftragen?‘
Während meines Aufbaus wurden mir dann auch gleich zwei mit Sand gefüllte Farbeimer geklaut, die eigentlich dafür gedacht waren, die Torwand zu beschweren, damit sie durch die Schüsse nicht ständig verschoben wird. Nur schade, dass ich die Gesichter der Diebe nicht sehen kann, wenn sie zur anstehenden Renovierung zwei Eimer mit Sand vor sich stehen haben und ihnen klar wird, dass sie dreißig Kilo Sand nach Hause geschleppt haben. Ich wurde also gleich am Anfang wieder daran erinnert, dass ich mich im kriminellen Schmuddelbezirk Wedding befand. Dieser Eindruck wurde durch die ganzen zertretenen Zigarettenstummel vor den Mülleimern mit Aschbecheraufsatz auch noch verstärkt. Die Zeit verging dann relativ schnell, weil sich natürlich niemand entgehen lassen wollte, einen kleinen Eimer Farbe zu gewinnen oder sich zumindest einen Trostpreis in Form eines Wasserballs oder einen Magnetfahne zu ergattern. Trotz aller Abwechslung und Kurzweiligkeit, war es kein einfacher Job die Leute zu animieren, bei praller Hitze auf eine Torwand zu schießen und dabei immer wachsam zu sein, dass nicht wieder etwas von meiner Aktionsfläche geklaut wird. Zur Belohnung gab es wenigstens das ein oder andere enge Dekolltée zu sehen und mir wurde wieder klar, dass Frauen im Sommer schnell auf ihre drei Grundattribute reduziert werden. Aber auch andere Beobachtungen nahm ich mit Spannung war. Ob nun einen Afrikaner, der bei über dreißig Grad im Schatten demonstrativ mit Pudelmütze und dicker, geschlossener Daunenjacke einkaufen ging oder die fettleibigen Araber, die einen Obst- und Gemüsestand vor dem Baumarkt betreiben und in ihren Klappstühlen fletzend und Wasserpfeife rauchend ihre Verkäuferkollegen von den Nachbarständen herumkommandierten. Nachdem sie schon zwei Eimer Farbe im Wert von vierzig Euro bei mir gewonnen hatten, wollte jeder zusätzlich noch fünf Wasserbälle haben. Als ich daraufhin fragte, was sie mir dafür anbieten könnten, guckten sie mich völlig erstaunt an und boten mir nach kurzem Zögern drei Packungen ihrer alten, zermatschten und schon durch die Sonne gegorenen Erdbeerpackungen an, die sie schon den ganzen Tag als Angebot zusammen für zwei Euro verramschten. ‚Eine Hand wäscht die andere‘ sagte mit stolzer Brust daraufhin einer der beiden Gauner. Ich dachte dabei nur: ‚Also eigentlich wasche ich hier schon den ganzen Tag euren beiden Hände, während ihr mir dabei ins Gesicht furzt‘ und war dabei froh, bald wieder in Kreuzberg zu sein.
Bei Apple bin ich beim Casting leider nicht weitergekommen. Anscheinend war dann mein Nerdanteil doch nicht groß genug oder um es mit den Worten von den Recruitern zu benennen ‚mein Apple spezifisches Wissen‘. Trotzdem scheint bei mir die gröbste Talfahrt erst ‚mal vorüber zu sein. Inzwischen tun sich wieder neue Jobangebote auf, so dass ich zumindest bis Juli einen stetigen Verdienst haben werde. Es war auch an der Zeit, da mir in den letzten Wochen die Wände immer mehr entgegen kamen. Wochen, die eigentlich nur aus Supermarkteinkäufen und Besuchen im Fitnessstudio bestanden. Wenn man so viel Zeit zu Hause verbringt, fallen auch irgendwann die kleinen, täglichen Glücksmomente weg. Sei es nach mehreren Stunden Arbeit in die verdiente Mittagspause zu gehen oder nach einem langen Arbeitstag eine warme Dusche zu nehmen. Ein erfülltes Leben zu führen, ist dann in seiner Komplexität doch eigentlich sehr einfach. Im Endeffekt geht es nur um Überwindung und Belohnung und dafür das rechte Maß für beides zu finden.
Ich habe jetzt also endlich wieder etwas Struktur in meinem Leben und spüre wie sich auch so langsam der Druck der ständigen Ungewissheit von meinen Schultern löst. Nicht nur, weil ich wieder weiß, wie ich in den kommenden Monaten meine Miete zahlen kann, sondern auch, weil ich jetzt wieder Pläne für meine weitere Albumproduktion machen kann. Ich gebe es nur ungern zu, aber so ganz ohne Geld, ist man in dieser Welt doch ziemlich aufgeschmissen.