At The Movies

Vor zwei Wochen wurde nun trotz zahlreicher Proteste nach siebenundsiebzig Jahren Dauerbetrieb eines der ältesten Off-Kinos in Berlin geschlossen. Die Kurbel in Charlottenburg. Ein Kino, zu dem zu ihrer Zeit schon meine Großeltern sogar aus Magdeburg angereist kamen, um ‚Vom Winde verweht‘ zu sehen. Ich selber verbinde mit dem Kino auch viele schöne Momente und zwar vor allem die heiligen ‚Sneak Preview‘ Zeiten Ende der neunziger Jahre, in denen ich dort mit meinen beiden damaligen besten zwei Freunden viele Filme gesehen habe. Für nur damals fünf D-Mark war die Spätvorstellung am Montagabend ein beliebter Treff für Studenten und Filmliebhaber. Das Konzept funktionierte. Mit einer Mischung aus Spannung, weil man in den Anfängen des Internets noch gar nicht wusste, welche Filme bald neu anlaufen würden und mit dem Gefühl, am Puls der Zeit zu sein, da man Filme aus Hollywood in der englischen Originalversion schon vor ihrem regelmäßigen Kinostart sehen konnte. Sicherlich gab es auch manchmal ziemlich miserable Streifen zu sehen, diese waren allerdings die Ausnahme und wurden auch so schnell zu einem Höhepunkt, da wir uns dann oft nicht nehmen lassen konnten, auf den hinteren Plätzen sitzend jede schlechte Szene laut im Kino zu kommentieren. Oft zum Leidwesen unserer Sitznachbarn, die meistens dem Film wenigstens noch etwas Sehenswertes abgewinnen wollten. Größtenteils waren es aber sehr schöne Abende, an die ich heute noch gern zurückdenke.
Die ‚Sneak Previews‘ waren für mich zu der Zeit immer eine Belohnung nach einem langen Arbeitstag und rückblickend auch verbunden mit den Wünschen und Hoffnungen wie das Leben einmal sein wird. Illusionen, die ich heute noch bemüht bin, abzubauen, da ich über lange Zeit in amerikanischen Filmen ein Spiegel des wirklichen Lebens gesehen habe und daher auch lange nicht verstehen konnte, wenn Leute von Hollywood als ‚Traumfabrik‘ sprachen. Vielleicht hätte ich in jungen Jahren doch eher Fassbinder und Bergman Filme sehen sollen, anstelle romantischer Liebesfilme mit Sandra Bullock und Julia Roberts. Wie mir ein Freund einst sagte: ‚Ingmar Bergman Filme fangen dort an, wo die Hollywoodfilme aufhören.‘
Mit der Schließung der Kurbel ist nun endgültig der letzte Sargnagel in die bleibende Existenz der Programmkinos geschlagen worden. Nachdem in den letzten zehn Jahren eigentlich alle Kudammfilmtheater zugemacht wurden, hat das Kino im westlichen Teil Berlins ausgedient und musste den von den Mieten her günstiger gelegenen Cineplexkinos in der neuen City weichen. Selbst diese kämpfen allerdings trotz mittlerweile horrender Preise und konstruierter Aufpreise um ihr Überleben. Eine Kollegin von mir war vor kurzem am Kinotag in einem 3-D Film und hat dafür inklusive eines Getränks und einer Tüte Popcorn zwanzig Euro gezahlt. Da kann bei einer vierköpfigen Familie der Kinobesuch schnell zum Luxus werden.
Das Kinogeschäft bleibt hart und wird in den Zeiten des illegalen Downloads auch weiterhin keinen leichten Stand haben. Die mangelnde Wertschätzung des Films als hart erarbeitetes Produkt ist offensichtlich doch sehr groß und wird nur durch die Selbstverständlichkeit des kostenlosen Überangebots getoppt. Ein trauriges Zeichen in einer Welt des ständigen Konsums. Sei es durch billiggefertigte Massenware aus Asien oder Terabytes an komprimierten Filmen und Musiktiteln aus dem Internet. Und sicherlich auch eine Folge der vom Menschen geschaffenen und immer mehr perfektionierten Dauerablenkung aus Angst vor der bloßen Existenz und davor, sich mit sich auseinanderzusetzen.

www.kinokompendium.de/kurbel_kino_berlin.htm