Shopping

Die Tage werden langsam immer kürzer und kälter. Wie jedes Jahr um diese Zeit stehe ich wieder vor der mühseligen Frage, ob ich mir eine neue Winterjacke zulegen soll. Da man inzwischen selbst für die einfachste, halbwegs gut geschnittene Baumwolljacke dreihundert Euro auf den Tisch legen muss und für Daunenjacken sogar bis zu sechshundert Euro, hatte ich vor ein paar Wochen die Idee, zum B5 Designer Outlet zu fahren. Das Fabrikverkaufsgelände liegt direkt an der Stadtgrenze, nur wenige Kilometer hinter Spandau. Dort sind alle großen Bekleidungsmarken vertreten, angefangen von Sportmarken wie Nike, Adidas und Puma bis hin zu Designerlabels wie Joop und Strellson. Das Konzept ist simpel: Die Hersteller sparen sich die Händlermarge und können daher ihre Ware direkt anbieten. Zumal die Personal- und Betriebskosten sich auch in Grenzen halten, da meistens nicht mehr als zwei oder drei Angestellte den Laden betreuen und die Miete sicherlich auch bezahlbarer ist, als in einem Laden in der City. Auf diese Weise ist es eine Win-Win Situation für beide Parteien. Sowohl für den Hersteller, als auch für den Käufer, der bei seinem Einkauf in der Regel zwanzig bis dreißig Prozent spart.
Das Outlet wirkt in seiner sterilen Leblosigkeit ein wenig wie eine Filmkulisse. Man merkt sofort, dass es es kein gewachsener Ort ist, sondern eine funktionale Kunststadt, die schnell hochgezogen wurde, um die Grundbedürfnisse der Käufer zu befriedigen. So gibt es dort auch außer einem Parkhaus, ein paar Fastfoodrestaurants und den Geschäften nicht viel zu sehen. Ich war wieder erschrocken wie viele Ramschklamotten es eigentlich gibt. Wobei ich mich dann immer frage, wer das alles kaufen soll. Trotz einer überwältigen Markenvielfalt fallen die meisten Schnitte und Farben der Sachen sehr ähnlich aus. Mein Einkauf war daher auch nicht besonders ergiebig, da ich nach zwei Stunden verzweifelten Herumsuchen nichts finden konnte, was meine puristische Seele erfreuen konnte und ich wieder zu der Erkenntnis kam, dass ich meiner Kleiderwahl doch sehr beschränkt bin. Denn eigentlich trage ich schon seit Jahren immer nur eine Jeans, ein Paar Turnschuhe und ein Hemd. Zwar alles in mehrfacher Ausführung, aber nie wechselnd im Schnitt oder in der Marke. Das Ganze hat natürlich auch seine Vorteile, da ich nie wirklich vor dem Problem stehe, was ich am nächsten Tag anziehen soll. Ich wurde also ‚mal wieder in meinen neurotischen Mustern bestätigt und fuhr aus einer Mischung aus Erleichterung und Frustration zurück in meine sicheren vier Wände. Auf der Rückfahrt hielt ich noch kurz bei einer Tankstelle, um das von meiner Mutter geliehene Auto aufzutanken. Als ich zur Kasse ging, um meine Rechnung von zwanzig Euro zu begleichen, fragte mich die Kassiererin, ob ich Mitglied beim ADAC bin, da ich so nämlich pro getankten Kilometer einen Cent sparen konnte. Leider hatte ich meine Migliedschaft gerade gekündigt und war so gezwungen auf die Ersparnis von fast fünfzehn Cent zu verzichten.
Mittlerweile ist es nur noch eine Woche bis Weihnachten. Ich arbeite zur Zeit jeden Tag und werde wieder täglich Zeuge des Einkaufswahnsinn zum Fest der Liebe und Besinnlichkeit. Es gibt sicherlich kaum einen entspannteren Weg zur inneren Ruhe und Reflektion als durch übertriebenen Konsum von Sachen, die man eigentlich gar nicht braucht. Das Interessante an meinem Job ist, dass ich mit allen möglichen Menschen und deren oft abstrusen Denkweisen in Kontakt komme, die sich nicht selten einer gewissen unfreiwilligen Komik entbehren. Mein absoluter Lieblingssatz, der mich nun auch schon seit Jahren begleitet ist: ‚Ich suche eine Kamera. Nichts besonderes, irgendetwas billiges. Es soll nur ein Geschenk sein.‘
Dann gibt es noch die Fraktion der ewig feilschenden Schnäppchenjäger. Die zwar die Beratung und den Service des Ladens bekommen wollen, aber nur bereit sind, den billigsten Preis im Internet zu zahlen. Manchmal möchten sie auch einfach nur den Preis aus einem anderen Media-Saturn Markt bekommen. Was bei einer Differenz von über zehn Euro und mehr sicherlich auch nachzuvollziehen ist. Nur kommen dann auch oft lächerliche Anfragen, wie z.B. gestern, als mich ein Kunde fragte: ‚Die Kamera, die bei Ihnen neunundachtzig Euro kostet, wird im Media Markt Spandau für achtundachtzig Euro angeboten. Können Sie mir vielleicht mit dem gleichen Preis entgegenkommen?‘ ‚Ja, natürlich. Ich werde gleich dem Abteilungsverantwortlichen Bescheid geben. Wir werden uns auch beeilen, damit sie es noch schaffen, sich in ihrem lokalen Aldimarkt mit Tütensuppen einzudecken und möglichst vor Sonnenuntergang zurück in ihren Baucontainer nach Brandenburg kommen.‘ Oft gibt es dann auch Kunden, die mit ihren Wünschen meine Perfektionsneurosen oft aussehen lassen wie Lapalien, wie z.B. der besorgte Vater aus Paris, der eine Kamera für seine neunjährige Tochter kaufen wollten und diese dann aber dann doch nicht haben wollte, weil die Verpackung an der Seite, wo die Sicherung befestigt war, ein kleine, völlig unscheinbare Delle hatte. Er erklärte sich dann mit folgenden Worten: ‚You don’t know my daughter. I know she won’t like it.‘