Der Kauf von Hosen und ich sind ein leidiges Thema, welches mich nun schon seit meiner Kindheit begleitet. Schon zu Schulzeiten war ich immer auf der Suche nach einer passenden Jeans. Anfangs war es Levis, dann kam Diesel, später Benetton und dann wieder Levis. Der absolute Höhepunkt meiner Hosenneurose war erreicht, als ich entschied, dass mir Jeans eigentlich gar nicht mehr stehen würden und ich von dort an nur noch blaue Pluderhosen trug. Als dann Gap seine ersten Läden in Berlin eröffnete, bekam ich wieder Mut, Jeans zu tragen, nachdem viele meiner Einkaufsversuche bis dahin immer nur in Frustration endeten, da ich mir in den meisten Hosen vorkam wie in einem übergroßen Kartoffelsack. Gap unterschied sich von den herkömmlichen Jeansschnitten. Cool. Amerikanisch. Leider schlossen die beiden Filialen bald wieder, da sie mit der Masse der H&M Läden nicht konkurrieren konnten. Aus Angst im Sommer vielleicht doch bald nur wieder Polyester- und Schurwollhosen tragen zu müssen, war ich nun sogar bereit für meinen Hosenkauf nach London zu fliegen. Was ich daraufhin auch tat und auch beide Male meinen Rückflug verpasste. Dadurch wurden meine Jeanskäufe zum absoluten Luxus, da ich jetzt im Schnitt vierhundert Euro pro Hose zahlte. Ein totaler Wahnsinn, aber zu der Zeit für mich eine sich völlig rechnende Investition. Daraufhin entdeckte ich die Boss Jeans, die ich dann in den folgenden zwei Jahren trug und kurz danach tat sich eine neue heilige Hose auf: Nudie. Eine schwedische Marke, die sich, orientierend an ihren hochgewachsenen Landsleuten, vor allem auf Schnitte für große Menschen spezialisiert hat. Viele Ritter Sport Schokoladen später ist mit mir nun auch meine Jeansgröße in die Breite gegangen, so dass ich wieder ‚mal gezwungen war, zu einem neuen Schnitt zu wechseln. Immer eine schmerzliche Transformation. Besonders wenn mein neuer Lieblingsschnitt in meiner Größe ausverkauft ist. So verbrachte ich gestern den gesamten Vormittag verzweifelt damit, die gleiche Hose, die ich schon habe, noch ‚mal zu kaufen.
Es ist ernüchternd, zu sehen, wie ich nach all den Jahren, immer noch in meinem autistischen Muster gefangen bin. Die Angst vor allem, was neu ist und dem damit einhergehenden Zwang, immer an dem festzuhalten, was ich kenne. Das zieht sich durch mein ganzes Leben und bezieht sich nicht nur auf meine gesamte Garderobe, die entspannt in eine Einkaufstüte passen würde. Aus diesem Grund wohne ich nun auch schon seit fast zwei Jahren in einer fremden Wohnung und laufe lieber Gefahr, jeden Abend von Hunderten von Comics erschlagen zu werden, die sich in hohen Regalen direkt neben meinem Bett auftürmen, als mir einfach eine eigene Wohnung zu suchen. Eigentlich bin ich ständig mit den täglichen Anforderungen des Alltags überfordert, da diese überhaupt nicht zu meinen Vorstellungen vom Leben passen, die ich mir als fernsehkonditioniertes Kind über Jahre aufgebaut habe. Abends todmüde ins Bett zu fallen, wenn man wie Jack Bauer die Welt gerade wieder vor einem atomaren Anschlag bewahrt hat, ist verständlich, aber sich nur nach ein paar Einkäufen völlig erschlagen zu fühlen, passt da nicht ganz in das Bild, das ich von mir über eine lange Zeit hatte. Daher habe ich mir sicherlich auch über Jahre meine eigene Welt geschaffen. Als eh schon ängstlicher Junge habe ich früh angefangen, mich der wahren Welt zu entziehen. Jeden Tag mit viel Mühe und Überwindung zu überstehen, um dann abends in meine heile Fernsehwelt abzutauchen und im vollem Verständnis, auch irgendwann ‚mal genau so ein Leben zu leben. Ein Welt, in der der Alltag immer ausgeklammert ist. Denn niemand will sehen wie Kim Basinger in ‚9 1/2 Wochen‘ auf dem Klo sitzt oder ihre Wohnung putzt. Meine Eltern haben mir auch nicht gerade das Handwerk mitgegeben, mich meinen Ängsten zu stellen. Meine Mutter hat immer in ihrer eigenen von Büchern und Filmen bestimmten Welt gelebt und bekommt schon panische Anfälle, wenn sie an der Supermarktkasse nicht gleich ihr Portemonnaie zücken kann. Mein Vater ist vom Grundtyp auch eher ängstlich, jemand, der Konflikten lieber ausweicht, als sich zu konfrontieren. Beide sind Verdränger vor dem Herrn und haben sich so auch immer ihre eigene Welt kreiert. Ob nun zu Hause oder abends auf der Bühne.
Meine Bandwebseite und Songwriting Workshops habe ich vom Server genommen. Sie waren eigentlich auch wieder nur dazu da, ein gewünschtes Selbstbild von mir zu bestätigen. Ein noch letztes Aufbäumen meines Egos vor dem großen, endgültigen Erwachen. Ich versuche nun einfach, den Alltag bewusster wahrzunehmen und auf mich wirken zu lassen. Im Moment zu leben, frei von festen Vorstellungen, wie ich zu sein habe und nicht nur auf die TV-Serie am Abend zu warten. Inzwischen habe ich auch zwei verschiedene Paar Jeans in meinem Kleiderschrank hängen. Es wird also alles besser. Um Britt Daniels von Spoon zu zitieren: ‚Got nothing to lose but loneliness and patterns.‘