Letzte Woche wurde ich spontan von meiner Agentur gebucht, um für Samsung auf der Ring-Foto Messe in Erlangen zu arbeiten. Ring-Foto ist ein europaweiter Verbund von über zweitausendfünfhundert kleinen Fotofachgeschäften, etwa vergleichbar mit Elektro Partner im Fernsehbereich, der sich bis jetzt noch erfolgreich gegen den Media-Saturn Riesen zur Wehr setzen kann. Im Gegensatz zu Elektro Partner, von dem es kaum noch Geschäfte gibt, expandiert Ring-Foto weiterhin, wenn auch in kleinen Schritten. Das liegt sicherlich vor allem daran, dass das Fotosegment zum einen eine kleinere Lagerfläche braucht als der Fernsehhandel und zum anderen, dass es größtenteils von der individuellen Dienstleistung am Kunden lebt, d.h. durch Fotoentwicklung, die Anfertigung von Passbildern und Fotobüchern, Postern und den immer mehr populär werdenden Fotodruck auf Textilien und Merchandiseartikeln. An den Kameras selber haben die Händler kaum noch Spanne, so dass eigentlich nur noch der Gewinn am Zubehör und am individuellen Fotodruck bleibt, obwohl die Fotoentwicklung im Zeitalter der digitalen Medien auch immer weniger wird. Die Leute machen zwar mittlerweile tausende von Bildern, lassen aber nur einen Bruchteil davon ausdrucken. Der Fotofachhandel wird also auch in den nächsten Jahren weiterhin zu kämpfen haben.
Meine Arbeit auf der Messe war eigentlich nicht so spannend. Eigentlich wie jeder Messejob: Herumstehen, dabei wichtig wirken und vor allem gut aussehen. Das ist selbst für einen faulen Hasen teilweise doch sehr anstrengend, gerade weil an den drei Tagen bis auf Samstag nicht viel los war. So stand ich nun am offiziellen Samsungstand neben lauter steifen Vertriebsmanagern, die die gesamte Zeit nur herumsaßen und dabei stumm auf ihre Notebooks starrten, um wenigstens den Eindruck zu machen, beschäftigt zu sein. Also nicht so das Lieblingsarbeitsklima eines gemütlichen Hasens mit Künstlerseele und für mich zudem wieder eine Bestätigung, dass ich bei all meinen zweifelnden Momenten, den richtigen Weg in meinem Leben gewählt habe.
Erlangen selber ist eine Kleinstadt im bayerischen Frankenland zwischen Bamberg und Nürnberg und in erster Linie eine Universitätsstadt. Sie wird wirtschaftlich von Firmen wie Siemens, Puma und Adidas getragen. Mit anderen Worten: Dort ist die Welt noch in Ordnung. Arbeitslosigkeit kennt man nur aus dem Fernsehen. Jeder zweite besitzt ein Eigenheim. Der Käsekuchen beim heimischen Bäcker ist doppelt so groß wie gewöhnlich und kostet nur die Hälfte. Einkäufe auch über dreihundert Euro werden bar in zwanzig Euro Noten bezahlt. Leute grüßen dich auf der Straße und alle sind einfach immer gut drauf. Gerade das Grüßen bin ich aus dem großstädtischen Berlin natürlich nicht mehr gewohnt und musste daher immer schmunzeln, wenn ich beim abendlichen Checken meiner E-Mails in der Hotellobby von jedem, der an mir vorbeiging mit einem freundlichen ‚Hallo‘ begrüßt wurde. Was auch ‚mal ganz schön war für meine Berlin gebeutelte Seele. Wie dann auch ein älterer Herr mir sagte, als ich ihn verdutzt anguckte: „Wer hier nicht grüßt, der ist von außerhalb.“ Die ständige gute Laune der Franken fiel sogar einem der Security Leute auf der Messe auf, der ursprünglich aus Sachsen-Anhalt kam und sich bei mir beklagte, dass wann immer er abends nach seiner Zwölf-Stunden Schicht in ein Bierlokal geht, es dort nie zu einer Schlägerei kommt. An meinem letzten Tag hatte ich dann noch ein lustiges Erlebnis, als ich in meiner Mittagspause einen Spaziergang durch die überschaubare Innenstadt machte und auf einmal an einem vor dem Einkaufzentrum stehenden Fahrrad einen mit Computer ausgedruckten, in Plastik eingeschweißten und mit Kabelbinder befestigten Zettel sah, auf dem stand: „Sehr geehrter Herr Fahrradbesitzer, Ihr Fahrrad steht nun schon seit mehreren Wochen vor dem Haupteingang des Einkaufcenters. Bitte entfernen Sie dieses doch umgehend, da wir uns ansonsten gezwungen sehen, es abholen zu lassen. Ihr Centermanagement.“ Ich kann mir diese Entscheidung richtig bildlich vorstellen. „Norbert, du kümmerst dich dann heute um das Fahrrad, das vor den Arkaden steht!“
Jetzt habe ich also mein Geld wieder ‚mal mit bloßem Herumstehen verdient, um zum einen meine Miete zu zahlen und zum anderen, weiter meinen Träumen folgen zu können. Das Booking der Gigs für meine Band stellt sich auch schwerer heraus, als ich anfangs dachte. Es ist nicht gerade so, dass die Clubs draußen auf uns gewartet haben und mir wird immer mehr klar, dass wir noch total am Anfang stehen. Es ist halt alles Arbeit. Wie mein Vater sagen würde: ‚Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt.‘ Wobei bei mir wohl eher der Satz passen würde: ‚Nach den Illusionen haben die Götter das Erwachen gesetzt.‘. Es läuft also alles, wenn auch langsam. Oder auch: Es zieht sich alles wie Kaugummi. Das erinnert mich dann immer an eines meiner Lieblingszitate aus dem Film Rounders. ‚Life’s on the wire. The rest is just waiting.‘