Als wir später in unserem Hostel eincheckten, wartete dort schon Geheimagent Peter Zanitti auf uns. Er folgte uns schon seit Tel Aviv, war nun wieder ‚zufällig‘ im gleichen Zimmer wie wir. Ein Mann, etwa Mitte fünfzig, etwas chubby und verplant. Seine Tarnung, eigentlich Raiffeisenbank Angestellter und Familienvater aus St. Gallen zu sein, war schnell durschaut. Auch sein wie angeklebter Schnurbart war nicht sehr glaubwürdig. Dennoch war er sympathisch und sehr redselig und das, obwohl er aus der Schweiz kam. Am nächsten Morgen erklommen wir nun endlich die Masada Festung, um von dort die Sonne über dem Toten Meer aufgehen zu sehen. Es war einer der besten Momente im Urlaub. Besonders die Stille hat uns ziemlich umgehauen. An diesem Tag hatten wir noch viel vor. Es ging gleich weiter zum Toten Meer, um zu gucken, ob man dort wirklich nur auf dem Wasser treibt und nicht untergeht und um natürlich das klassische Zeitungslesebild von uns zu machen. Der Strand war verhältnismäßig leer. Außer dem Bademeister waren noch ein paar russische Familien im Wasser. Als wir gerade dabei waren unsere in Salz getränkten Badesachen einzupacken, kam uns wieder Peter entgehen und bat uns von ihm ein paar Fotos im Salzsee zu machen. Die Kamera war nagelneu und das teuerste Modell der Canon Powershot Serie. Er erzählte uns daraufhin, dass er sie noch spontan am Flughafen gekauft hatte, da er seine eigentliche Kamera zu Hause auf dem Küchentisch liegenlassen hätte. Wir nickten nur, dabei war uns klar, dass die Kamera zur Grundausstattung eines jeden Außendienstler des Schweizer Nachrichtendienstes gehört. Mittlerweile war es dreizehn Uhr und wir wollten noch zum Nationalpark von Ein Gedi, der für seine Wasserfälle und herumlaufenden Steinböcke bekannt ist. Dort angekommen sahen wir wieder mehrere Schulklassen mit ihren mit Maschinengewehren bewaffneten Aufpassern sich durch die schmalen Schluchten schlängeln. Diesmal waren es gemischte Gruppen, sowohl muslimisch, als auch jüdisch. Als wir im Park waren, fingen sie auf einmal an, Hetzgesänge gegeneinander zu singen. Als kurz danach die ersten Plastikflaschen flogen, mussten die Lehrer einschreiten und wir waren mittendrin in der ersten Ein Gedi Antifada. Nach knapp drei Stunden Odyssee durch die Wüstensteppe sahen wir nun endlich die ersten Steinböcke, die voller Würde und Gelassenheit ihrer Alltag zwischen den ganzen kargen Felsen bestritten. Gerade der alte Steinbock mit seinem Riesengehörn hatte etwas sehr imposantes, als er von einem der höheren Hügel, fern ab vom restlichen Rudel, die Steppe überwachte. Auf dem Weg zurück zum Bus kam uns Peter entgegen, der uns wieder die nächsten Stunden nicht von der Seite wich, da er zufällig die gleiche Route wie wir nahm.
Nachts kamen wir völlig erschöpft in Jerusalem an, der heiligen Stadt, die den Muslimen, Juden und Christen gleich viel bedeutet. Aus diesem Grund ist The Old City auch unterteilt in ein arabisches, jüdisches und christliches Viertel. Es war schon interessant, die Klagemauer zu sehen und den Leidensweg Christi zu gehen, der inzwischen gefüllt ist mit Imbissen und Souvenirläden, die unter anderem auch rosafarbene Teletubbies verkaufen. Zwischen all den Shops befinden sich Hospize aus aller Welt, die ein Geheimtip für Pilgerer und Reisende sind, da man in der Regel zu Hostelpreisen eine sehr gepflegte Unterkunft mit gutem Essen bekommt. Trotz aller vermeintlicher Historie, die mit der Stadt einhergeht, haben mich die Landschaften Israels mehr beeindruckt, denn eine alte Mauer bleibt eine alte Mauer, egal wofür sie steht und die Kirchen sehen nach einer Weile auch alle gleich aus. Große Steingebäude vollgestopft mit Bildern und Statuen von sich selbst beweihräuchernden, alten Männern. Im Christentum wird schon ein ganz schöner Kult betrieben, wenn ich z.B. an die hysterisch weinenden Frauen in der Grabeskirche Jesu Christi denke, von denen mir Claude erzählt hat. Verglichen mit Tel Aviv gefiel mir Jerusalem als Stadt besser. Es war der erste Ort mit Grossstadtflair. Abends brodelte die Innenstadt voll mit Menschen. Am nächsten Tag waren wir schon wieder im Old Jaffa Hostel in Tel Aviv, von dem aus es nach Hause ging. Es war wieder Shabbat und die Stadt ruhte. Wir konnten es uns nicht nehmen und noch einmal zum Strand gehen. Die Stimmung an dem Vormittag war sehr entspannt. Am Strand saßen Menschen in Cafés mit Blick aufs Meer und mir wurde klar, dass Tel Aviv eine sehr romantische Stadt ist. Gerade, weil es noch nicht so mit Touristen überlaufen ist wie andere europäische Städte. Wer also ein gemütliches Wochenende mit seiner Freundin oder Freund plant und nicht nach Paris oder Venedig reisen will, findet in Tel Aviv eine gute Alternative. Auch Single Männer können sich auf viele Abenteuer freuen, allerdings eher mit Männern als mit Frauen. So wurde ich am letzten Abend vor unserer Abreise von einem schwulen Verkäufer angegraben, der, als ich mir meine tägliche Vollmilch-Nuss Schokoladen Ration kaufen wollte, mir die Hand streichelte und mich fragte, ob ich verheiratet sei. Ich war nur froh, dass ich keine Zartbitterschokolade haben wollte, ansonsten wäre ich vielleicht noch im Dark Room gelandet. Nach einem kurzem Besuch am Strand, gingen wir noch einmal ins Zentrum, um uns den von Eitan und Alexei empfohlenen Rothschild Boulevard anzugucken. Dieser allerdings war mehr ein ‚Sehen-und-Gesehen-Werden‘ Boulevard voller Cafés, ähnlich wie bei uns das Café Caras am Ku’damm. Auf dem Weg zurück kam nun nach all den vielen Gepäckkontrollen und Sicherheitschecks der erste wirklich unheimliche Moment in unserem Urlaub. Wir bogen gerade in eine kleine Querstrasse, da stand plötzlich ein kleiner Mann vor uns und fragte uns, wo wir herkamen. Als wir nur ‚Germany‘ sagten, fing er an, uns konfus in einem englisch-hebräischen Kauderwelsch zuzutexten und wurde dabei immer aggressiver. Es war ein komisches Gefühl, da wir nicht wussten, ob er uns gleich ein stumpfes Messer in den Rücken rammen, dann wie ein gehässiger Zwerg um uns herumtanzen und laut hämisch lachen würde. Zum Glück dauerte seine Belagerung nicht lang und wir waren ihn in der nächsten Straße schon wieder los. Rückblickend wirkte es wie die Sonntagsbeschäftigung eines Soziopathen, da weit und breit niemand zu sehen war. “Wo ist denn Shlomo heute?” “Ach, der lauert wieder am Rothschild Boulevard deutschen Touristen auf!”