Orange Big Talk Shalom

Die Sonne scheint hier weiterhin, als ob es kein Morgen gibt. Wir sind nun schon fast am Ende unserer kurzen, aber sehr intensiven Reise. Highlights waren bisher ein Ausflug zu den Golan Höhen, wo wir zusammen mit Eitan und Alexei ein Bad im alten mit Bergquellwasser gefüllten ‚Officer’s Swimming Pool‘ genommen haben. Am gleichen Tag waren wir dann noch in den Grotten von Rosh Hanikra an der libanesischen Grenze und hatten danach in Akko, einem alten arabischen Fischerdorf, ein typisches Imbissessen mit Humus und frittiertem Gehacktem. Akko, wie viele andere Ort hier, liegt direkt am Mittelmeer und ist vollgestopft mit streunenden Katzen, die meistens in Mülltonnen hausen. Bis auf ein paar Läden in der City und der üblichen Fischrestaurants gab es nicht so viel zu sehen. Daher hatten wir bei der Suche nach einem günstigen Hostel auch nicht die große Auswahl, denn es gab nur eins. Nach einem so gelungenem Tag musste nun natürlich auch ‚mal ein Downer kommen. Für umgerechnet fünfzehn Euro bekamen wir zwei olle, alte, durchgelegene, mit abgewichsten Matratzen ausgelegten, Betten auf dem Dach. Wenigstens war die Bettwäsche frisch, allerdings auch nur, weil wir es vehement einklagten. Die Klos waren ohne Waschbecken, die Toilette ohne Spülung und bei der Dusche fehlte der Duschkopf, so dass die Temperatur nicht regulierbar war, was zur Folge hat, dass ich unter brühend heißem Wasser duschen musste. Die Terasse war lieblos eingerichtet und zugestellt mit alten, vergammelten Camping Möbeln. Die Architektur wirkte auch etwas improvisiert und zwar waren die Regenrinnenabläufe einfach nur mit einem Vorschlaghammer durchgebrochen. Es war also wieder einer der Momente, in denen man das, was man zu Hause hat und wenn es nur die funktionierenden sanitären Anlagen sind, wieder zu schätzen weiß. Am nächsten Morgen ging es mit dem Bus weiter nach Tiberias, der Ort, der am See Genezareth liegt über den – wie es im Neuen Testament steht – Jesus gelaufen ist. Der Busbahnhof war wieder voller Soldaten und Soldatinnen, die in Israel ein ganz gewöhnlicher Teil des Stadtbildes sind. Die Männer in typischen Uniformen und die Frauen in Ganzkörperuniformen, die aussehen wie ein olivgrüner Blaumann. Dazu tragen sie oft ihr langes Haar offen und ein Maschinengewehr. Ich fühle mich dann oft an Quentin Tarantino’s ‘Girls with Guns’ Sequenz in seinem Film Jackie Brown erinnert.
Wir kamen mittags in Tiberias an und Claudes Plan war es einmal mit dem Fahrrad um den gesamten See zu fahren, was bei sechzig Kilometern nicht besonders verlockend klang, zumal die gesamte Strecke über eine asphaltierte Landstraße führt, auf der die typisch israelischen, wahnsinnigen Busfahrer ihre Ralleys fahren. Die Tour hat er daraufhin allein gemacht. Der Abend war entspannt. Mit einem leckeren Falafel in der Hand haben wir gemütlich mit Blick auf den See Galilee (wie er auf hebräisch heißt) Kurznachrichten von unseren israelischen ‚Orange Big Talk‘ Simkarten geschickt, die mittlerweile die bewährte Postkarte abgelöst haben. Claude ist inzwischen auf Diät. Gibt es aber natürlich nicht zu und kommt so immer mit neuen lustigen Erklärungen an, warum er so wenig isst. „Es ist irgendwie ein gutes Gefühl für eine Zeit lang nur von seinen Fettreserven zu leben, die kann man dann ja später wieder auffüllen.“
Am Mittwoch waren wir in Masada, der alten jüdischen Festung in der Negev Wüste, die direkt am Toten Meer liegt, das eigentlich gar kein Meer ist, sondern ein See. Die Fahrt dorthin war grenzwertig, da der Busfahrer wie ein Besengter die Serpentinstraßen durch die Wüste gebrettert ist. Dazu noch die künstlich klimatisierte Luft und mein Magen war bedient. Nach vier Stunden Fahrt kamen wir dann endlich in der Jugendherberge mitten in der Pampa an. Das Hostel war mit Abstand das sauberste, in dem wir bisher gewesen waren, fest in russischer Hand. Nur leider gab es außer dem Backpackers nichts dort. Das wußte auch der lachende Schokoladenverkäufer, als er mir erst ‘mal den doppelten Preis für meine tägliche Ration Vollmilch-Nuss Schokolade abknöpfte. Als wir ankamen, ahnten wir noch nicht, dass der Tag zum “No, you can’t …“ Tag werden würde. Ein Grund dafür, dass wir schon so früh angereist waren, war der auf der Homepage der Jugendherberge groß beworbene Swimming Pool. “No, you can’t go to the pool. It is closed because it is winter season.” sagte die dicke Frau an der Rezeption. Was uns nicht ganz einleuchtete, da es weit über dreißig Grad waren. Wie fragten daraufhin, ob wir wenigstens schon ‘mal einchecken könnten, immerhin war es schon halb zwei. “No, you can’t check in before 3 p.m.“ Der Pool war tabu und unser gebuchtes Zimmer auch. Wir hatten also nicht so viele Möglichkeiten, außer die nächsten zwei Stunden in der Lobby abzuhängen oder schon einmal den Wüstenberg zu erkunden. Kurz entschlossen ging es dann Richtung Masada Festung. Als wir gerade dabei waren den Snake Path einzuschlagen, schrie von der Gondelplattform ein Mann wie ein Wahnsinniger “No, you can’t go there. Come back. Please!!!” Gerade das laute, flehende “Please” klang etwas unheimlich in der Wüstenstille, so dass wir nicht sicher waren, ob wir uns gerade auf dem Weg in ein Minenfeld begaben. Der Mann erklärte uns, dass es zu gefährlich sei nach vierzehn Uhr den Berg zu erklimmen, da man dann nicht vor Einbruch der Dunkelheit zurückkäme. Was absurd ist, da der Aufstieg maximal vierzig Minuten dauert und die Sonne nicht vor fünfzehn Uhr unterging. So langsam liefen uns also die Spassoptionen aus. Wir liefen daraufhin weiter zum Souvenirladen, der gleich neben der Gondelplattform gelegen war. Er war vollgestopft mit Krempel, den die Welt nicht braucht. Angeschlossen daran war ein kleiner Raum mit archäologischen Artefakten. Als wir den betreten wollten, hörten wir wieder eine laute Stimme, diesmal etwas gereizter, als zuvor. “No, you can’t go in there. You have to pay.” Fünf Euro nur um ein paar alte Steine zu sehen, war nicht wirklich überzeugend und zudem war der Student an der Kasse auch nicht besonders einladend, der sicherlich nicht gedacht hatte, dass auch Extremchillen zu Frust führen kann, als er den Job annahm. Inzwischen war es schon fast fünfzehn Uhr und wir hatten außer der Eingangshalle vom Hostel und einem Souvenir Shop noch nicht viel gesehen von der Sagen umwobenen, jüdischen Festung, die sechsundsechzig nach Christus von den Römern eingenommen wurde, kurz nachdem dort alle Sicarii Rebellen Massensuizid begangen hatten, um nicht in die Hände ihre Feinde zu fallen. So schlenderten wir weiter durch die sandige Kraterlandschaft vorbei an vielen verwinkelten Canyons. Es fehlten nur noch die Daltons gejagt von Lucky Luke und mein Bild wäre komplett gewesen. Gott war uns wohl gesonnen, als er uns plötzlich aus heiterem Himmel drei Schulklassen mit jungen, israelischen Mädchen schickte, die in ihren blauen Blusen und schwarzen Stufenröcken, lachend und singend die Felsen herunterrutschten. Hier standen wir nun inmitten der steinigen Wüstenfelsen, umringt von bildhübschen Mädchen, die uns auf ihre Art natürlich auch auscheckten und der Tag fing so langsam an, Spaß zu machen.