Eine Woche bin ich nun schon wieder in Bristol. Die Tage in Berlin waren sehr intensiv und schön, auch wenn ich bemerkt habe, dass ich da erst einmal nicht hingehöre und wohl noch ein bisschen um die Welt reisen werde. Besonders jetzt, wo ich gerade meine Illusionen halbwegs verarbeitet habe und neue Hoffnung geschöpft habe, dass unsere Generation nicht nur aus Dummschwätzer und Weicheiern besteht. Aber dann bringt Mario Barth einen eigenen Kinofilm heraus, ‚der Schuh des Manitu‘ läuft als Musical im Theater Des Westens, Jeanette Biedermann und Annett Louisian veröffentlichen ein neues Album und von ‚Keinohrhasen‘ wird ein zweiter Teil gedreht.
Vielen Dank an alle, die es zum indischen Dinner in die Dorfidylle nach Schmargendorf geschafft haben. Es war ein wirklich schöner Abend. Um Maiko zu zitieren: „Ich wusste nicht, wer lustiger an dem Abend aussah, Sim oder Bollywood Gunnar.“ Zurück aus der Stadt der Hasen, die von den Rheinländer und Süddeutschen auch gern als Stadt ohne Stil bezeichnet wird, ist mir klar geworden, dass es in Bristol eigentlich gar kein Modebewusstsein gibt. Hier laufen eigentlich alle herum wie in Neukölln. Egal, in welchem Bezirk man ist. Dazu kommt auch noch, dass die Engländer auch nicht gerade das schönste Volk der Welt sind. Sie haben meisten sehr unreine Haut und sind ‚chubby‘ (speckig), um es einmal freundlich auszudrücken. Der Unterwschied ist auch Sim als erstes aufgefallen, als wir in Berlin ankamen. Vielleicht wird hier auch deshalb gern betont, dass jemand ‚posh‘ (schick, vornehm) ist. Also für mich eher jemand, der stilvoll gekleidet ist. Obwohl das von meine Kommilitonen oft als Makel gesehen wird. „She is really nice but a bit posh.“ „Ich finde sie wirklich sympathisch, aber sie ist eleganter gekleidet als ich.“ So what? Da merkt man schon noch das feudale Denken, selbst im zweiten Jahrtausend. Das Fussvolk, das bei ‚Primark‘ einkaufen geht und insgeheim neidisch auf den Adel ist, der sich im ‚House of Fraser‘ einkleidet. Das Wort ‚posh‘ kommt übrigens von ‚Port Out Starboard Home‘. Das wurden den reichen Reisenden auf dem Weg von England nach Indien auf das Ticket gestempelt. Da beide Länder zur nördlichen Hemisphere gehören, bekamen diese dann so immer eine Kabine im Schatten. Man spürt hier also immernoch das altenglische Schichtsystem. Ich glaube, es gibt auch in keinem Land mehr Boulevardblätter und Celebritymagazine wie in England. Das ist mir besonders aufgefallen, da seit Wochen das Schicksal vom krebskranken, ehemaligen Big Brother Star Jade Goody bis zum letzten Pence vermarktet wird. Sie war in den letzten Wochen insgesamt auf mehr Titelseiten als Angelia Jolie und Jennifer Aniston zusammen. Jetzt gibt es auch noch ihre Biographie zu kaufen. Was man auch immer so erlebt haben mag, als siebenundzwanzigjährige Big Brother Bewohnerin. Gut, sie wird das auch nicht umsonst gemacht haben. Trotzdem finde ich es ziemlich geschmacklos, das Ableben eines Menschen so zu vermarkten. Es hat sich eben nicht viel verändert in den letzten Jahrhunderten. Brot und Spiele. Die Medien sind der moderne Circus Maximus und die Discounter sprießen an jeder Ecke. Immerhin sind die Aldi Brüder mit einem Vermögen von über dreißig Milliarden Euro die reichsten Deutschen.
Vor drei Tagen war ich zur Bandprobe in Birmingham. Es ist ein schöne, alte englische Stadt mit gigantischen Einkaufshallen. Nach London die zweitgrößte Stadt Englands und die Geburtsstadt von Heavy Metal. Ozzy Osbourne’s Band ‚Black Sabbath‘ wurde dort gegründet und berühmte 80s Bands wie ‚Duran Duran‘ und ‚UB40‘. Die letzte Woche war wirklich sehr erholsam. Die Atmosphäre im Haus war ruhig und entspannt und dann fiel mir auf: Das dauerstreitende, polnische (Ehe)Paar ist für ein Woche verreist. Das hat sich dann heute aber auch gleich wieder verändert, als sie ankamen und bevor die Reisetaschen überhaupt ausgepackt waren, wieder ein Monsterstreit entbrannte und sie sich über eine halbe Stunde nur angeschrien haben. Lukas ist ein cooler Typ, aber Kathrina scheint ernste Probleme zu haben. „Issues, man! She’s got issues.“ Wie Sim sagen würde. Und schon bin ich wieder in meinem Bristol Alltagstrott.