Free In-Flight Entertainment

Der Dauerschneeregen war in den letzten Tagen doch ziemlich belastend. Das sind dann immer so die Momente, wo ich mir ein dickes, warmes Auto wünsche, in dem jemand heiße Schokolade reicht, anstelle eines alten, verrosteten Mountainbikes, das bei jedem Tritt fast zusammenbricht. Die Uni läuft weiter und ich bekomme langsam das Gefühl, dass dem Lehrplan so langsam der Stoff ausgeht. Das Beste an dem Kurs sind dann doch die Tutorien mit meinen Dozenten, die Struktur und der Druck, den ich dadurch bekomme und die praxisbezogenen Essays. Gerade für mich als faulen Hasen ein guter Tritt in den Hintern. Es läuft also alles und ich habe weiterhin Spaß im Unterricht, da wir schon sehr lustige Leute im Kurs haben. Free In-Flight Entertainment. Ob nun Jess, die keinen Moment auslässt, um im Mittelpunkt zu stehen und letzte Woche wieder einmal zu spät kam mit der Ausrede: „I’m sorry I’m late but got into this snowball fight this morning!“ Aber auch unsere Dozenten sind locker, z.B. Cliff, der neulich über die Recordingsoftware Logic sprach mit den Worten: „It’s really easy to use. Any monkey could do this, except for Jess of course!“ Dann gibt’s noch Charlotte, die durch ihre Naivität und natürliche Egozentrik immer wieder allen den Mund weit offen stehen lässt. Als wir ihr vor kurzem sagten, dass sie eine wirklich gute Stimme hat und sich sehr selbstbewusst auf der Bühne bewegt und eigentlich auch in Musicals singen könnte, sagte sie daraufhin gleich: „Oh yeah, musicals. I’d love to be a musical star. I could do this. I could be very famous.“ Und in der letzten Music Business Class, als wir über Vorschüsse von Plattenfirmen gesprochen haben, sie gleich fragte: „Is that the kind of money I could use to do some shopping?“ Dann ist da noch Steve, der, wenn er nicht gerade trockene Sprüche macht, Penisgesichter malt und als ihn Dominique neulich fragte, was er da schreibt, er nur sagte: „It’s a love note!“ Could I read it?“ No, it’s quite personal.“ Nicht zu vergessen Cliff, unser Lieblingsdozent, der uns immer mit „Yeah, yeah, what’s up?“ begrüßt und in seinen Powerpoint Folien gern den Dude aus The Big Lebowski mit den Worten „That’s just your opinion, man.“ zitiert. Neulich, als wir Einzeltutorien hatten, zu denen Sam seine schüchterne Freundin mitgebracht hatte, als er fertig war, Cliff zu ihr sagte: „You’re not staying for the show?“ „Staying? No, but Sam is finished.“ „No, not HIS show. MY show, MY show!“
Natürlich begleiten mich auch weiterhin die einsamen Momente. Gerade am Dienstagmorgen, an dem alle immer cool sind und jeder ständig eloquente Sprüche machen muss. Ansonsten bleibt jeder Tag eine Überwindung, der ich mich in den letzten Jahren nicht wirklich stellen wollte. Beamer gucken und Häagen Dasz Eis essen ist dann doch bequemer und vor allem entspannter. So lerne ich aber auch die kleinen Dinge im Leben zu schätzen. Ob nun die Frucht-Nuss Schokolade bei Lidl oder einfach einmal keinen monotonen Parttime Job machen zu müssen und den Luxus zu haben, mich nur auf mein Studium konzentrieren zu können. Die Stimmung in meiner WG ist mittlerweile wieder ausgeglichen. Obwohl Lukas immernoch anfängt zu pfeifen, wenn er nach oben ins Bad geht, wie der kleine Junge, der allein in den dunklen Wald geschickt wird.
Eine Sache, die ich hier in England wirklich amüsant finde, ist der englische Humor, der auch in der Werbung wiederzufinden ist. Wie die zwei größten Margarine Hersteller, die „Utterly Butterly“ und „I can’t believe it’s not butter“ heißen. Oder eine Firma für Industrieventilatoren, die „Big Ass Fans“ heißt und einen fetten Pferdehintern als Logo hat. Vor ein paar Wochen war ich wieder in London, um einen Gig von zwei Kommilitonen aus meinem Kurs zu sehen. Es war wirklich ein cooler Abend und mir ist wieder bewusst geworden, London ist nicht wie Bristol. Die Leute sind gestylt (und nicht im Primark* Schlabberlook), gut aussehend, selbstbewusst und gucken immer sehr ernst. Bei fast allen sieht man den „I live in London“ Stolz in den Augen. Das ist schon eine coole Stadt. Teuer, aber cool.
Morgen ist dann schon der zweite Block meines Studiums zu Ende. Time flies. Obwohl ich schon merke, dass in den letzten sechs Monaten riesige Schritte gemacht habe, spüre ich doch, dass Songwriting nicht wirklich meine Bestimmung in dieser Welt ist. Ich will auf jeden Fall mein Album aufnehmen und veröffentlichen und auch live spielen, aber was danach kommt, ist noch offen.

*Primark = die englische, billige Version von C&A (Anm. d. Red.)